Investmentfonds

Investmentsfonds sind Wertpapiere, in denen mehrere andere Wertpapiere zusammengefasst sind. Das Anlageuniversum der Investmentfonds ist riesig und kann auf vielerlei Arten eingeteilt werden. Manche Investmentfonds sind sinnvoll, manche schlicht entbehrlich. Bei wieder anderen kommt es auf den Einzelfall an. Dieser Artikel behandelt das Thema aus einer Reihe von Aspekten.

Aktien-, Renten-, Misch- und andere Investmentfonds

Zum einen können Investmentsfonds nach den Anlageklassen unterteilt werden, in die sie investieren. Von Spezialitäten wie Filmfonds und Waldfonds möchte ich hier absehen. In ihrem Fall sollte man sehr gut über die Investitionsobjekte infomiert sein. Gerade bei Waldfonds wäre für mich die Anlage wegen der extrem langfristigen Perspektive kaum planbar.

Die häufigste und bekannteste Anlageklasse für Fonds sind Aktien, also Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften. Aktien haben wegen der Schwankungen in Wirtschaft, Politik und Anlegerstimmung ein Risiko für zwischenzeitliche Verluste. Andererseits bringen sie langfristig aber auch eine höhere Rendite als festverzinsliche Wertpapiere. Da sich die Schwankungen einzelner Aktien in einem breit diversifizierten Fonds gegenseitig ausgleichen können, sind Investmentfonds oft weniger schwankungsanfällig als direkte Investments in Aktien. Das macht Investmentfonds für Kleinanleger interessant, deren Depots für eine eigene breite Diversifizierung nicht groß genug sind.

Eine andere weit verbreitete Anlageklasse sind Anleihen, die wegen ihrer konstanten Zinszahlung auch Rentenpapiere genannt werden. Investmentfonds, die in Anleihen investieren, nennt man darum Rentenfonds. Bei erstklassigen Anleihen ist Diversifizierung allerdings weit weniger wichtig als bei Aktien. Da Anleihen im Unterschied zu Aktien eine sichere Auszahlungssumme am Ende ihrer Gültigkeit aufweisen, kann man auch selbst in Anleihen hoher Bonität und kurzer Restlaufzeit investieren. Insbesondere aktiv gemanagte Rentenfonds haben sonst oft Schwierigkeit, eine ausreichende Rendite zu erwirtschaften, um überhaupt ihre Gebühren wieder auszugleichen.

Zwischen beiden Extremen liegen die Mischfonds, die die riskanteren Schwankungen der Aktien mit schwankungsärmeren Anleihen ausgleichen sollen. Oft hoffen Anleger, dass solche Mischfonds rechtzeitig vor Krisenzeiten Geld aus Aktien in Anleihen umschichten und in Boomzeiten wieder lukrativer investieren. Die Erfahrung lehrt leider, dass Mischfonds Krisen auch nicht besser vorhersagen können.

Aus obigen Absätzen geht hervor, dass ich für gezielte Investments nach einem Börsencrash oder langfristige Geldanlage Aktienfonds vor anleihenhaltigen Investmenfonds vorziehe.

Aktiv gemanagte Investmentfonds

Die nächste Einteilung von Investmentfonds unterscheidet nach der Auswahl der Wertpapiere und der daraus folgenden Gebührenstruktur.

Im letzten Jahrhundert wurden die Wertpapiere eines Investmentfonds typischerweise durch einen Fondsmanager gezielt ausgewählt. Auch heute sind solche aktiv gemanagten Investmentfonds weit verbreitet. Auf diese Weise sollten vielversprechende Aktien gefunden und Verlierer vermieden werden. Für die Arbeit der Aktienauswahl berechnen gemanagte Fonds jährliche Gebühren von verbreitet 2 bis 3 Prozent, um die ihre Rendite vermindert wird. Die Arbeit des Managements muss daher einen solchen Aufschlag wert sein. Je spezieller die Aktien (z.B. spezielle Branche, exotische Länder), desto höher ist meist die Gebühr.

Hinzu kommt, dass beim Kauf von Investmentfonds ein Ausgabeaufschlag erhoben wird, der als Provision an die ausgebende Bank abgeführt wird. Dieser Aufschlag kann typischerweise noch einmal 5 Prozent ausmachen und dadurch die Rendite des ersten Jahres vollständig vernichten. Zum Glück geben Direktbanken Rabatte auf den Ausgabeaufschlag.

Indexfonds

Im Gegensatz dazu bilden Indexfonds einen Aktienindex nach, für dein kein aktives Management notwendig ist. Dadurch kommen Indexfonds mit geringen Gebühren von Bruchteilen eines Prozents aus. Dabei ist zu beachten, dass auch bekannte Indizes den Wunsch nach Diversifikation nur unzureichend erfüllen. Der deutsche Aktienindex DAX und der Dow Jones Industrial Average bestehen beide nur aus jeweils 30 Aktien und haben dadurch eine höhere Spezialisierung als breitere Indizes wie z.B. der US-amerikanische S&P500 oder der MSCI World. In den meisten Fällen dürften Indexfonds auf derart breite Indizes für Fondsanleger die einfachste und gleichzeitig günstigste Alternative darstellen.

Neuerdings kommen Indexfonds auf immer eigenwilligere Indizes auf den Markt, die sich auf spezielle Branchen oder sogar auf Aktien mit bestimmten Entwicklungen in ihrem Kurs spezialisieren (Momentum-Fonds). Das widerspricht eigentlich dem ursprünglichen Gedanken der Indexfonds. Im nächsten Aktiencrash könnten solche Spezialfonds vermutlich ihre derzeitige Überrendite wieder abbauen und damit den zwischenzeitlichen Nachteil der breiter diversifizierenden Fonds wieder ausgleichen.

Indexfonds, deren Index wenige große Firmen enthält, können ihre Anteile direkt an den Börsen kaufen. Bei Fonds, die über ihren Index auch illiquide Aktien kleiner Firmen und/oder in Schwellenländern kaufen müssen, wird das schwieriger. Oft kaufen darum solche Indexfonds die Aktien nicht direkt, sondern vereinbaren ein Swap-Geschäft mit einer Bank, die ihnen den entsprechenden Wert der Aktienbeteiligung zusichert. Manche Anleger sind bezüglich solcher Swapgeschäfte skeptisch, bisher gab es allerdings deswegen noch keine Probleme.

Index-Hugger

Ein ähnliches Problem bekommen aktiv gemanagte Fonds, wenn ihr Fondsvolumen zu groß wird. Während kleine Fonds noch gezielt in aussichtsreiche Smallcaps, also Firmen mit geringem Börsenwert, investieren können, stehen diese großen Fonds nicht mehr zur Verfügung. Ein großer Fonds würde durch einen Zukauf und späteren Verkauf eines kleinen Smallcaps dessen Kurs zu sehr selbst beeinflussen. Darum verkümmern große Publikumsfonds mit der Zeit selbst zu indexfonds-ähnlichen „Index-Huggern“, die keinen Vorteil mehr vor einem echten Indexfonds aufweisen.

Welcher Investmentfonds lohnt sich wann?

Investmentfonds sind eine großartige Erfindung für Anleger, die mit relativ wenig Geld in viele Aktien gleichzeitig investieren wollen. Ein an der Börse notierter breiter Indexfonds in globale Aktien ist langfristig sicherlich in keinem Depot eine dumme Idee als Basisinvestment.

Rentenfonds halte ich für entbehrlich. Wenn man in Niedrigzinsphasen Anleihen halten will, würde ich am ehesten Anleihen hoher Bonität und kurzer Restlaufzeit direkt an der Börse kaufen.

Für noch weniger sinnvoll halte ich Garantiefonds. Sie versuchen, Anlegern das scheinbar so gefährliche Risiko der Aktien mit der garantierten Anlagesumme schmackhaft zu machen. Das führt jedoch dazu, dass die vermeintliche Rendite der Aktienanlage auf der Strecke bleibt.

Es gibt vereinzelt Gründe, aktiv gemanagte Fonds in Betracht zu ziehen. Das kann für Aktien in speziellen Branchen, exotischen Ländern oder ausländischen Smallcaps gelten – aber nur, wenn man meint, wirklich genug Ahnung von diesen speziellen Märkten zu besitzen. Die Schwierigkeit, mit engen Spezialwerten oder an ausländischen Börsen zu handeln bzw. in eine Auswahl mehrerer solcher Spezialwerte zu investieren, kann man dann an den Manager delegieren. Allerdings ist der eigentliche Sinn der Investmentfonds, zu diversifizieren und damit das Risiko zu vermindern, dann nicht mehr gegeben.

Letztlich kann ich niemandem bei Investmententscheidungen zu- oder abraten. Ich gebe natürlich keine Empfehlungen ab, weil jeder Anleger für die eigenen Entscheidungen verantwortlich ist. Ich wünsche allen eine gute Hand bei der Auswahl ihrer Wertpapiere.

Allgemeine private Finanzplanung

Dieses Blog behandelt vor allem die Möglichkeit, mit Aktien Renditen über dem Marktdurchschnitt zu erzielen. Über der Jagd nach Renditen vergisst man eventuell, dass der Grundstein zum Reichtum schon viel eher gelegt wird. Wer zu wenig Geld zum Anlegen hat, wird auch mit zweistelligen Renditen absolut nur kleine Beträge ansammeln können. Bevor man also mit der lukrativen Aktienanlage beginnt, sollte man dafür sorgen, dass genug Geld zum Anlegen vorhanden ist. Dafür braucht man eine allgemeine private Finanzplanung.

Schulden

Schulden binden Kapital und verhindern, dass man es solange gewinnträchtig anlegen kann. Darum vermeide Kredite, wenn du kannst, und zahle sie zu schnell wie möglich zurück. Eine Ausnahme gilt für echte wertbeständige Investitionen. Ein Haus in guter Lage, das du selbst bewohnen oder vermieten kannst, fruchtbares Land, das bewirtschaftet wird, und Bildung, die deine Chancen verbessert, sind Beispiele dafür. Sie können ihren Wert behalten oder sogar steigern.

Ein Auto ist nur dann eine Investition, wenn es dir ermöglicht, mehr Geld zu verdienen oder Zeit zu sparen. Ansonsten verliert es schnell an Wert. Ein Urlaub oder eine Party sind kein Grund sich zu verschulden. Das geht erstmal auch billiger. Wenn man später genug gespart hat, kann man sich auch teuren Urlaub leisten, ohne dafür extra Zinsen bezahlen zu müssen.

Bildung

Sorge für Bildung, die dir durchgehende Berufstätigkeit ermöglicht, auch wenn dein Lieblingsberuf gerade außer Mode gerät. Am lohnendsten sind skalierbare Fähigkeiten. Bei Bäckern ist die Anzahl der Brote, die sie pro Tag backen oder verkaufen können etwa gleich und konstant. Bei Softwareentwicklern ist die Anzahl der Kunden weitaus höher als die der Brotgramme, äh, Programme, weil man jedes Programm gleich vielfach auf der ganzen Welt verkaufen kann. Materie skaliert schlecht, Information skaliert gut (Struktur, Organisation, Sprache, Musik, …).

Halte dein Wissen auf dem aktuellen Stand und lerne ständig dazu, auch auf fachfremden Gebieten. Plane nicht auf feste Ziele hin, deren Verfehlung dich frustrieren oder nach deren Erreichung du in ein Loch der Untätigkeit fallen kannst. Plane lieber Entwicklungen über Fixpunkte hinaus und mache den Fortschritt zu einem festen Bestandteil deines Lebens . Lies täglich ein Kapitel lesen, trainiere jede Woche ein paar Stunden, programmiere jeden Monat eine kleine App programmieren, komponiere jedes Jahr ein Lied komponieren… Aber halte deine Pläne flexibel. Scheue dich nicht, sie zu verwerfen und neu zu planen, wenn die Umgebung sich ändert. Hab keine Angst vor Rückschlägen, aus jeder scheinbaren Katastrophe können sich neue Möglichkeiten ergeben.

Lerne zusätzliche „weiche“ Fähigkeiten wie Rhetorik, Kommunikation, Selbstdarstellung, Benehmen, Allgemeinbildung. Die besten Kenntnisse auf Zeugnissen bringen nichts, wenn du sie nicht vermitteln und dich an gute Stellen bringen kannst. Pflege Hobbys als zusätzliche Optionen – z.B. können gute Straßenmusiker und -künstler auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten dazuverdienen. Halte dich gesund und fit, um auch körperlich anstrengende Arbeiten selbst zu erledigen und nicht auf teure Handwerker angewiesen zu sein. Sei vorsichtig, wenn du Sport treibst, mit dem man sich Sprunggelenke oder Knie langfristig ruinieren kann.

Konsum

Gib normalerweise möglichst wenig Geld für entbehrliche und teure Dinge aus (Eierkocher, Auto, Markenprodukte, Restaurants, Cocktailbars, iPad, Waschmaschine, Heimkino). Oft tun es auch billigere (Kochtopf, Fahrrad, Discounter, Kartoffeln, Tetrapak-Wein, Strickzeug, Fluss, Märchenbuch). Dann hast du mehr Geld übrig, um dir von Zeit zu Zeit auch mal wirklich etwas Schönes gönnen zu können (Eierkocher, Auto, Markenprodukte, Restaurants, Cocktailbars, iPad, Waschmaschine, Heimkino).

Hüte dich vor Leuten, die dir etwas verkaufen wollen. Lass dich nie auf der Straße oder an der Haustür überreden, sondern bestehe auf einer Nacht Überlegung. Spende nicht denen, die dich danach fragen, im Fernsehen erwähnt werden oder Werbung machen. Informiere dich lieber selbst nach sinnvollen Projekten, die dauerhafte Verbesserungen bewirken. Sogenannte „Berater“ sind Verkäufer. Übernimm keine Bürgschaften. Ja, Bürgschaften klingen nett, aber sie können die sozialen Kontakte schlimmer ruinieren als eine Ablehnung. Vermeide es, Geld und Privatangelegenheiten zu vermischen.

Versicherungen

Schließ Versicherungen über Risiken ab, die deine Lage ernsthaft gefährden: Krankenkasse (oft ist die gesetzliche die erste Wahl, im Urlaub noch eine Auslandsversicherung dazu), Haftpflicht (mit genug Millionen für Personenschäden, das kann einen sonst ruinieren), für Familien Risikolebensversicherung und bei Investitionsschulden auch eine Restschuldversicherung. Bei der Berufsunfähigkeit gehen die Meinungen auseinander. Einerseits wäre sie großartig, wenn man sie mal braucht, andererseits braucht man womöglich dann auch noch eine Rechtsschutzversicherung, die die BU zur Zahlung zwingen kann und eine Rechtsschutzschutzversicherung, die die Rechtsschutzversicherung zum Zwingen zwingen kann und so weiter. Wenn man sie früh und gesund abschließt, ist sie billiger, als wenn man bis zu den ersten chronischen Krankheiten wartet. Wenn man keine BU bekommen kann, ist eine Unfallversicherung besser als nichts.

Vergiss Versicherungen, deren Zwecke du aus deiner Alltagskasse zahlen kannst wie Handy, Gepäck, Reiserücktritt usw., sowie komplexe Kombinationsprodukte wie Kapitallebensversicherungen. Je mehr eine Versicherung beworben wird, desto mehr lohnt sich das offenbar für die Versicherungen, weil sie damit Profite machen. Desto sinnloser sind sie folglich für die Kunden.

Sparen

Halte von deinem Geld so viel verlustsicher und jederzeit verfügbar, dass du dein Existenzminimum ein Jahr lang davon bestreiten könntest. In Niedrigzinszeiten ist es praktisch egal, ob du dafür ein Giro- oder Tagesgeldkonto wählst.

Besorg dir ein Depot bei einer Direktbank. Schöne Filialen, in denen man Kaffee „geschenkt“ bekommt, bezahlst du mit deinen Provisionen. Leg das Geld, das du übrig hast, so an, dass Rendite und Risiko zu deinem Lebensentwurf und deinem Charakter passen. Wenn du es nicht selbst besser entscheiden kannst, investiere bis 25 all dein überschüssiges Geld in Indexfonds auf breite Aktienindizes, ab 75 all dein Geld in kurzlaufende Anleihen, und dazwischen allmählich wechselnd. Mische bei den Aktienfonds den eigenen Währungsraum (z.B. MSCI Stoxx Europe 600), globale Industrieländer (z.B. MSCI World) und Schwellenländer (z.B. MSCI Emerging markets), zum Beispiel im Verhältnis 40:40:20. Bei Anleihen geh mit erstklassigen Staats- oder Unternehmensanleihen mit kurzer (Rest-)laufzeit auf Nummer sicher. Schichte die Mischung nicht öfter als einmal im Jahr um.

Wenn du dich traust und sowohl die großen Börsenzyklen zwischen Boom und Baisse als auch die Lage einzelner Unternehmen einschätzen kannst, trau dich vielleicht nach einer Kurskorrektur an günstig bewertete Firmen mit guten Zukunftsaussichten. Bevorzugst du es sicherer, entscheide dich für krisenfeste, langfristige Anlagen im Bereich Basiskonsum oder Medizin. Wenn du mehr Rendite und größere Schwankungen riskieren willst, versuche es mit wachstumsstarken Unternehmen aus Hightech-Branchen. Aber vermeide Firmen, die wegen echter Probleme nur scheinbar zu billig sind.

Die perfekte Anlagestrategie, Teil 1: Jagd auf Aktien

Viele Anleger suchen nach der perfekten Anlagestrategie, um unterbewertete Aktien zu finden. Börsenratgeber, Blogs (wie dieser), und Finanznachrichten buhlen mit kostenlosen bis teuren Ratschlägen und Artikeln um die Gunst der Anleger. Die Ansätze reichen von breiten Investitionen in den gesamten Markt auf einmal über Spontankäufe moderner Aktien wie Wirecard oder Tesla, die Analyse von Bilanzen bis hin zum Betrachten der Charts auf profitträchtige Muster. Manche entwickeln ihren persönlichen heiligen Gral als Satz von Indikatoren, den sie mit speziellen Tools „backtesten“, um die Überlegenheit ihres Ansatzes zu beweisen.

Dies ist der erste Beitrag zum Thema „Perfekte Börsenstrategie“. Der nächste behandelt das passive Investieren.

Andere Quellen widersprechen der Ansicht, dass es überhaupt einen überlegenen Ansatz geben könnte, denn wenn ein solcher existierte, dann könnten theoretisch alle Menschen damit reich werden. Das führt ins Absurde führt und kann darum nicht stimmen. Eugene Fama hat für diese Ansicht der effizienten Märkte sogar einen Nobelpreis bekommen. Jeder vorübergehend überlegene Ansatz ist dazu verurteilt, nach seinem Bekanntwerden erfolglos zu werden. Sobald die Anleger mit ihrem Kauf- und Verkaufsverhalten die Vorteile vorwegzunehmen versuchen, machen sie sie dadurch selbst unmöglich. Die Börse ist ein reflexives System, auf das jeder Teilnehmer unmittelbar selbst Einfluss nimmt.

Eine hilfreiche Analogie

Ich veranschauliche die Auswahl von Aktien gerne mit einer Analogie. Stellen wir uns vor, wir stehen irgendwo allein in der Natur und sind gezwungen, uns selbst etwas zu essen zu beschaffen. Gibt eine optimale Strategie dafür?

Jagen und Sammeln im Kleinen

Ein naheliegender und allgemein anwendbarer Rat wäre, nach Pflanzen mit essbaren Blättern oder Wurzeln zu suchen. Auf diese Weise wird man zwar nicht sehr schnell satt, aber man hat praktisch immer gute Chancen, überhaupt zu überleben. Diese Art der Nahrungsbeschaffung vergleiche ich mit festverzinsten Bankguthaben; man kann sie immer bekommen und ist damit weitgehend sicher, aber sie sind ein bisschen dürftig.

Die marktbreite Anlage in Indexfonds ist ein bisschen so, als würde man mit dem Maschinengewehr wild in den Wald feuern. Man kann sich ziemlich sicher sein, auf diese Weise immer irgend etwas zu erlegen. Ein paar Vögel, Hasen, Mäuse erwischt man immer, und wenn man Glück hat, ist auch mal ein Reh dabei. Allerdings kann man auch nicht ausschließen, auch mal nur daneben zu schießen.

Jagd auf Großwild

Wenn man auf Größeres aus ist, kann es sinnvoller sein, erst einmal die Spuren im Wald zu betrachten, die Wasserstellen ausfindig zu machen, und sich in der Nähe eines Wildwechsels auf die Lauer zu legen. Wenn man ein Rentier jagen will, sollte man berücksichtigen, wann die Herde ihre jahreszeitlichen Wanderungen unternehmen. Das ist, was Stockpicker tun. Sie untersuchen die Spuren im Chartverlauf, die Lebensgewohnheiten ihrer Beuteunternehmen und warten die saisonalen Zyklen ab, bevor sie handeln. Wenn dann die Rentierherde kommt, spielen nicht zuletzt auch ihre Mitglieder eine Rolle. Entweder man wählt ein leckeres Jungtier, einen stattlichen Bock, oder ein leichter zu treffendes altes Tier, das immerhin noch für eine Brühe taugt. Entsprechend hat man auch bei Aktien immer eine ganze Reihe konkurrierender Unternehmen zur Auswahl.

Aber was, wenn die Umgebung sich als eine ganz andere herausstellt, als der Wald, von dem hier die Rede war? In der Arktis muss man beim Robbenfang völlig anders vorgehen. Mitten in der Sahara hat man womöglich gar keine Chance zu überleben. Auch an der Börse gibt es Phasen, in denen man bei bestem Willen keine optimale Anlagemöglichkeit findet.

Anwendung auf die Anlagestrategie

Die Analogie hinkt natürlich, wie jede andere auch. Ein Fazit erlaube ich mir trotzdem zu ziehen. Es gibt keine eindeutige perfekte Anlagestrategie an der Börse, ebensowenig wie es eine perfekte Überlebensstrategie in der Wildnis gibt. Aber es gibt eine ganze Reihe optimaler Überlebensstrategien zu bestimmten Zeiten in bestimmten Umgebungen. Die Kunst der Jagd an der Börse besteht darin, je nach Umgebungsbedingungen die richtige Strategie zu wählen. Welche man auswählt, hängt sowohl von den eigenen Anforderungen wie Risikofreude und Gier ab wie auch vom aktuellen Marktumfeld, dem Zyklenverlauf, den Leitzinsen, den Modeerscheinung, den politischen Einflüssen wie Wahlen.

Aktueller Ausblick

Heute, am 6.9.2020, befinden wir uns meiner Meinung nach in der Korrektur des Anstiegs seit dem Corona-Tief im Frühling. Bis zur US-Wahl erwarte ich noch fallende Kurse, insbesondere bei Rentieren, äh, Aktien mit Blähungen. In der Hinsicht wäre für mich zum Beispiel Tesla ein Kandidat. Nach der Wahl in den USA steigen die Börsenkurse meist wieder. Immerhin wird die Hälfte der US-Bevölkerung der Meinung sein, den besseren der zwei Kandidaten zum Präsidenten gewählt zu haben. Die Stimmung der Mehrheit wird dann entsprechend gut. Darum erwarte ich ab November 2020 eine gute Jagd auch auf Großwild. Um die US-Wahl herum werde ich mich nach entsprechenden Spuren umsehen.

Das Orderbuch

An der Börse gibt es keine Preisschilder wie im Supermarkt, deren Preise vom Marktleiter festgelegt werden. Man kennt zwar die offiziellen Kurse, aber diese kommen durch Angebot und Nachfrage dynamisch zustande und geben nicht an, zu welchem Preis man tatsächlich als nächstes wird handeln können. Dafür gibt es das sogenannte Orderbuch.

Wenn man an der Börse z.B. mit Aktien handeln will, lässt man von seinem Broker eine Order ins Orderbuch einstellen. Vom Börsenmakler (oder Market maker) werden dann Kauf- und Verkaufsorders zusammengeführt, und der Handel kommt zustande, oder auch nicht, falls die Preisvorstellungen nicht zueinander passen.

Limitierte Order

Beim Einstellen der Order hat man die Wahl, ein Limit anzugeben, wie viel Geld man maximal ausgeben bzw. minmal verlangen möchte – oder man kauft zu den gerade verfügbaren Preisen, was man dann „bestens“ bzw. „billigst“ nennt. Dabei ist „billigst“ nicht unbedingt billig , sondern nur das am wenigsten teure gerade vorhandene Angebot im Orderbuch. Am besten lassen sich die Vorgänge wohl mit einem Beispiel verstehen.

Beispiel Bauernmarkt

Stell dir einen Bauernmarkt vor. Bauer Ewald verkauft 5 Kilo Tofu aus Schweineprotein. Er hätte gerne 3 Euro für eine Portion Schweinetofu. Er ist aber so schlau zu wissen, dass er die nicht für alles bekommen wird, denn der offizielle Kurs des letzten Handels von gestern war bei nur 1,50 Euro. Darum erstellt er Angebote über 1 Kilo zu 2 Euro, um überhaupt sicher was zu verkaufen, über 2 Kilo zu 3 Euro, und, um seinen Schnitt zu machen, 2 Kilo zu 4 Euro.

Ich will 1 Kilo Tofu kaufen, weil ich Gäste bekomme, die so was mögen. Aber mehr als 1 Euro will ich eigentlich nicht ausgeben. Du willst auch 1 Kilo Schweinetofu kaufen, um es mal zu probieren, aber weil es dir nicht so wichtig ist, bietest du nur 50 Cents. Dann sieht das Orderbuch für Schweinetofu so aus:

Ask / Brief (engl. bzw. deutsch für Verkaufsangebote):
2 Kilo 4
2 Kilo 3
1 Kilo 2
Bid / Geld (engl. bzw. deutsch für Kaufgebote):
1 Kilo 1
1 Kilo 0,50

Erstmal passiert nichts. Dann kommt plötzlich die reiche Tante Erna vorbei und kauft 2 Kilo Schweinetofu für den sogenannten „billigsten“ Preis, d.h., so günstig wie gerade angeboten wird, weil sie es eilig hat. Sie schnappt das Sonderangebot weg und ein Kilo vom mittleren und bekommt so einen Durchschnittskus von 2,50.

Der offizielle Kurs steigt damit auf 3 Euro, weil der Makler ordnungsgemäß von unten nach oben 1 Kilo zu 2 und dann ein Kilo zu 3 zuteilt. Pech für mich, dass ich zu geizig war – nun wird es für mich vielleicht erst recht teuer. Ich krieg Panik und erhöhe mein Kauflimit auf 1,50 Euro, damit ich meinen Gästen vielleicht doch was servieren kann. Aber auf 3 Euro will ich doch nicht gehen.

Ask / Brief:
2 Kilo 4
1 Kilo 3
Bid / Geld:
1 Kilo 1,50
1 Kilo 0,50

Dann kommen plötzlich schlechte Nachrichten rein. Beyond Plants verkauft auf einmal noch billigeren Tofu aus Klärschlamm. Der Tofumarkt wird nervös, und Bauer Ewald merkt, dass er Gefahr läuft, dass keiner mehr seinen Schweinetofu haben will. Er senkt seine Verkaufspreise auf 1,50 und 2,50 Euro und plupp, bekomme ich den Zuschlag für mein Kilo zu 1,50.

Ask / Brief:
2 Kilo 2,50
Bid / Geld:
1 Kilo 0,50

Jetzt stehst du vor einer schwierigen Entscheidung – willst du doch noch schnell Tofu kaufen, bevor die Börse schließt, oder hoffst du auf noch weiter fallende Kurse?

Die Tofupanik nimmt zu. Bauer Ewald verliert die Nerven und senkt seinen Preis auf den sogenannten „besten“ Preis, d.h. den höchsten gerade gebotenen. Glückwunsch für dich Du bekommst das letzte Kilo zum neuen offiziellen Kurs von 0,50 Euro. Und Bauer Ewald bleibt auf einem Kilo sitzen.

Ask / Brief:
1 Kilo 2,50

Der Spread

Praktisch ist das Thema zum Glück nicht immer so wichtig, denn dicke liquide Aktien kann man oft ruhig bestens/billigst zu gerade angebotenen Preisen kaufen, weil sich Bid und Ask kaum unterscheiden. Den Unterschied zwischen den beiden nennt man den „Spread“. Bei Aktien kleinerer Firmen kann der Spread beträchtlich sein und dazu führen, dass gerade gekaufte Aktien nur mit einem Verlust von mehreren, teils zweistelligen Prozenten wieder verkauft werden können. Darum sollte man den Spread beim Abschätzen möglicher Kursgewinne mit berücksichtigen.

Crash und StopLoss

Das Orderbuch sollte man es außerdem für den Ernstfall kennen, denn wirklich wichtig wird es auch im Crash. Es gibt Verkaufsorders, die automatisch auslösen, wenn der Kurs eine bestimmte Schwelle unterschreitet (sog. „StopLoss“). Man hofft dadurch, den Verlust zu begrenzen. Manchmal misslingt das trotzdem, weil diese Orders dir keinen Verkaufspreis garantieren können. Wenn du bei Tesla jetzt einen StopLoss von 2000 Dollar setzt und es dann einen veritablen Crash gibt, können die Aktien in großen Bündeln so schnell abgestoßen werden, dass dein Kleinanleger-Stopp in der Nähe deines StopLoss-Kurses überhaupt keinen Käufer findet, das Orderbuch auf der Bieterseite ruckzuck leer ist und erst 50% tiefer wieder gehandelt wird.

Es gibt auch Varianten des StopLoss, bei der man noch einen Mindestpreis angeben kann, unter dem nicht gehandelt wird. Dann sitzt man aber auf seinem hohen Verkaufsangebot wie Bauer Ewald auf seinem Tofu, während die Kurse immer tiefer rauschen. Ob das sinnvoll ist, hängt dann von der Aktie und der Art des Kurssturzes ab. In einem Fall wie Wirecard, das 2020 vom Vorzeige-Hightech-Unternehmen zum Betrugsfall enttarnt wurde und um 99% an Wert verloren hat, wäre jeder ausgeführte StopLoss einem Verkaufslimit vorzuziehen gewesen.

Über Gewinn und Wahnsinn

Noch mehr Finanzblogs braucht die Welt vielleicht inzwischen nicht mehr, aber einen Grund habe ich, noch im Jahr 2020 neu anzufangen. Mein Patenkind ist volljährig geworden, verwaltet ab sofort ein eigenes Depot und kann den einen oder anderen Tipp dazu gebrauchen. Zuerst habe ich ab und zu Mails geschrieben, aber das hat sich als etwas zu unstrukturiert erwiesen. Mit diesem Blog kann ich die Informationen besser einteilen, verpacken und für die Zukunft aufbewahren, und sie sind leichter abzurufen und wiederzufinden.

Das erklärt auch, worum es vor allem gehen wird: Alles, was heranwachsende Neulinge wissen wollen oder sollten, um im Haifischbecken der Finanzmärkte zurechtzukommen und hoffentlich eine gute Rendite zu errreichen. Wer schon mit Aktien zu tun hatte, weiß, wie verunsichert man am Anfang sein kann, und wie sehr man auf die Nase fallen kann.

Damit mein Patenkind selbst Verwantwortung über die Entscheidungen übernehmen kann, werde ich verschiedene Alternativen vorstellen. Natürlich wird mein persönlicher Anlagestil durchschimmern. Neben absoluten Grundlagen wie Anlageklassen und Börsenhandel wird es auch um andere Dinge gehen, die mir gerade einfallen. Dazu gehören z.B. auch exotischere Indikatoren oder aktuelle politische Ereignisse.

Ich hoffe, dass Gewinn und Wahnsinn nicht nur meinem Patenkind ermöglicht, trotz Wahnsinn an den Finanzmärkten ein bisschen Gewinn daraus zu ziehen.